Behandlungskonzept Muskelerkrankungen
Das Behandlungskonzept orientiert sich am indikationsspezifischen Behandlungskonzept der Rentenversicherungsträger und den Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften.
Kinder vom Kleinkindalter bis zum Schulabschluss können zur Rehabilitation aufgenommen werden. Bei kleinen Kindern ist die Aufnahme und Schulung einer Begleitperson Teil des Behandlungskonzeptes.
Eine Indikation für eine stationäre medizinische Rehabilitation liegt dann vor, wenn die umfassende gesundheitliche und psychosoziale Beeinträchtigung durch die Erkrankung durch ambulante Maßnahmen und Unterstützung allein nicht mehr beherrschbar ist.
Konkrete Aufnahmegründe bei Muskelerkrankungen können sein:
- Ergänzung, Erweiterung und Anpassung der bisherigen ambulanten Behandlungsmaßnahmen
- Unterstützung, Anleitung und Beratung der gesamten Familie bei der Intensivierung der Therapien und der Verbesserung des Krankheitsmanagements und der Selbststeuerung und beim Umgang mit den angewandten therapeutischen Verfahren (z. B. der Bewegungstherapie, Physiotherapie und Ergotherapie)
- die Behandlung einer Haltungsschwäche im Zusammenhang mit anderen Grunderkrankungen
- Symptome in Folge angeborener Fehlbildungen der Bewegungsorgane
- die postoperative Behandlung nach Umstellungsosteotomien
- die Mitbehandlung von Folgeerkrankungen der Stütz- und Bewegungsorgane bei Grunderkrankungen wie Muskeldystrophien
- der Ausgleich und die Unterstützung bezüglich krankheitsbegleitender schulischer Leistungsschwierigkeiten
- Unterstützung und Beratung bei der Verbesserung der sozialen Integration (Peer Group, Schule, Berufsfindung und Berufshinführung und –beratung)
Als krankheitsunabhängige Rehabilitationsziele haben wir uns zur Aufgabe gemacht, die Kinder, Jugendlichen und ihre Familien zu unterstützen:
- durch Entlastung von den aktuellen Beeinträchtigungen und Belastungen während des stationären Aufenthaltes
- durch Übertragen der Rehabilitationsziele in Alltagssituationen
- durch Anleitung beim Umgang mit und dem Annehmen von (chronischer) Krankheit oder Beeinträchtigung
- durch Beratung, Aufklärung der Patienten und ihrer Eltern zur Erweiterung ihres Wissens und Verständnisses und nachhaltigen Verbesserung der persönlichen Situation
Als spezielle Therapieziele stehen bei der Rehabilitation von Muskelerkrankungen im Vordergrund:
- der Umgang mit bzw. die Optimierung einer nächtlichen Heimbeatmung
- die Verbesserung der Mobilisation nach krankheitsbedingten Verletzungen und Unfällen
- die Anpassung von bzw. der Umgang mit Hilfsmitteln unterschiedlichster Art
- die Verbesserung der Atemfunktion
- die Beschwerdebesserung durch Ergänzung und Intensivierung der bisherigen ambulanten und stationären Behandlung
- langfristige Stabilisierung des Krankheitsbildes
- die Reduktion von Komorbidität zur Verbesserung des Risikoprofils
- die Verbesserung oder Wiederherstellung der eingeschränkten Lebensqualität und Wiederherstellung der körperlichen und psychischen Belastbarkeit
- die Verbesserung von funktionsbezogenen Parametern wie Haltung (Statik), Beweglichkeit, Muskelkraft, Koordination, Mobilität, Ausdauer
- die Kompensation von Funktionsstörungen in Folge Fehlstatik
- die frühzeitige Berufsberatung zur Vermeidung einer ungeeigneten Berufswahl bei der entsprechenden Altersgruppe
- die Erlangung maximaler Selbständigkeit im Krankheitsmanagement (durch medikamentöse, physikalische, ggf. orthetische und psychologische Betreuung)
Die konkreten Rehabilitationsziele sollten bereits vor der stationären Aufnahme zwischen Kindern, Eltern und behandelndem Arzt besprochen und festgelegt werden. Sie werden bei Aufnahme noch einmal präzisiert, falls erforderlich nach gezielter Diagnostik ergänzt und in den regelmäßigen Visiten im Behandlungsverlauf angepasst. Kinder und Jugendliche mit Muskelerkrankungen werden in einer altersgemischten und diagnosegemischten Gruppe integriert und mit einem individuellen Therapieprogramm behandelt. Die Behandlung von neurologischen Erkrankungen und Muskelerkrankungen stellt einen der Behandlungsschwerpunkte der Klinik dar. Die Integration der betroffenen Kinder und Jugendlichen in Gruppen von Betroffenen mit anderen Erkrankungen hat sich bewährt, um einen auf die betroffenen Kinder und Jugendlichen abgestimmten individuellen Therapieplan zu entwickeln. Eine Behandlung als Anschlussheilbehandlung nach operativen Eingriffen an den Stütz- und Bewegungsorganen ist in der Klinik möglich.
Grundsätzlich stehen den Kindern mit Muskelerkrankungen alle Fachbereiche der Klinik zur Verfügung (Medizin, Pflege, Psychologie, Sozialpädagogik, Therapie und Schule).
Die Umsetzung der Behandlungsziele erfolgt in enger, interdisziplinärer Zusammenarbeit aller Bereiche unter ärztlicher Leitung.
Speziell bei Muskelerkrankungen werden in der Therapie u.a. eingesetzt:
- Verlaufsdiagnostik (unter Einbeziehung von Kooperationspartnern aus der Neuropädiatrie und Kinderorthopädie)
- Bewegungstherapie, Psychomotorik
- Sport (mit z. B. Gehtraining, Schwimmen, Wanderungen, …)
- Physiotherapie (mit den folgenden möglichen Verfahren: neurophysiologische Therapie nach Bobath, manuelle Lymphdrainage, Bewegungsbad, Elektrotherapie, therapeutisches Klettern, Atemtherapie, …)
- Einweisung in Hilfsmittel
- physikalische Therapie
- Ergotherapie einschließlich CIMT und Förderung der Fein- und Graphomotorik
- Psychotherapie in der Gruppe und bei Bedarf
- Milieutraining
- Sozialberatung
Die detaillierten Therapiepläne sind im QM-System der Klinik abgelegt.
Bei Muskelerkrankungen wird keine Gruppenschulung durchgeführt. Aufgrund der Heterogenität der Krankheitsbilder erfolgt eine individuelle Beratung der betroffenen Familien. Die Behandlungsempfehlungen orientieren sich an den aktuellen medizinischen Leitlinien der AWMF.
Die Rückkehr in einen Schulalltag ohne Ängste und Belastungen ist für Kinder mit Muskelerkrankungen sehr wichtig. Ziel des Unterrichts in unserer großen Klinikschule ist es daher auch, die Kinder und Jugendlichen nach einer Phase der Entlastung beim Aufholen von Versäumtem zu unterstützen und die Reintegration in den schulischen Alltag zuhause vorzubereiten. Dies ist durch Unterricht in kleinen Klassen und in einer Intensität von bis zu 20 Stunden pro Woche möglich.
Trotz der Wohnortferne der bei uns aufgenommenen Kinder fühlen wir uns auch der ambulanten Nachsorge nach der stationären Rehabilitation verpflichtet. Wir bemühen uns (bei Zustimmung der Eltern) in jedem Fall um die Einbeziehung der Kinderärzte/ Hausärzte/ Fachärzte, ambulant tätigen Therapeuten bei der Vermittlung weiterer Hilfen, Beratungsstellen und Fachleute. Bei der Behandlung von Kindern mit Muskelerkrankungen arbeiten wir eng mit der Abteilung Neuropädiatrie am Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU München zusammen.